Einleitung
In der Finanz- und Versicherungsbranche kommt es immer wieder zu Fehlberatungen, die für Kunden erhebliche finanzielle Nachteile mit sich bringen. Besonders problematisch sind Vertriebsstrukturen, bei denen der Verkauf bestimmter Produkte im Vordergrund steht – oft ohne eine fundierte Bedarfsanalyse. In diesem Artikel analysieren wir einen konkreten Fall, in dem ein Kunde durch eine unvorteilhafte Vertragsgestaltung finanzielle Verluste erlitten hat.
Die Ausgangssituation: Eine problematische Vertragsstruktur
Ein junger Kunde unter 30 Jahren hatte das Gefühl, dass sein bestehender Vertrag nicht optimal zu seinen Bedürfnissen passt. Eine genaue Analyse der Vertragsbestandteile bestätigte diesen Eindruck. Der Vertrag umfasste mehrere Bausteine:
- Altersvorsorge
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Pflegerentenoption
- Hinterbliebenenschutz
- Kostenstruktur (nicht explizit offengelegt)
Bereits auf den ersten Blick fiel auf, dass die Vertragsstruktur eher an den Interessen des Vertriebs ausgerichtet war als an den tatsächlichen Bedürfnissen des Kunden.
Mängel in der Beratungspraxis
Eine professionelle Versicherungsberatung sollte gemäß den gesetzlichen Vorgaben folgende Schritte beinhalten:
- Ermittlung der individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Kunden
- Dokumentation der Beratungsergebnisse
- Begründete Produktempfehlung basierend auf den ermittelten Anforderungen
Im vorliegenden Fall wurde dieser Beratungsprozess nicht eingehalten. Stattdessen erfolgte die Vermittlung des Vertrags im Rahmen einer Verkaufsveranstaltung, bei der die Produktpräsentation im Vordergrund stand. Eine fundierte Bedarfsanalyse fand nicht statt.
Analyse der Vertragsmängel
1. Berufsunfähigkeitsversicherung: Intransparente Vertragsgestaltung
Der Kunde hatte ein sogenanntes Startermodell abgeschlossen. Diese Vertragsform ist dadurch gekennzeichnet, dass entweder die versicherte Leistung mit den Jahren abnimmt oder der Beitrag signifikant ansteigt. Entscheidende Problematiken:
- Langfristig teurer als ein regulär kalkulierter Vertrag
- Leistungsreduzierung nach fünf Jahren ohne klare Aufklärung
- Keine ausreichende Absicherung bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter (Vertrag endet mit 62 Jahren)
- Fehlende garantierte Rentensteigerung → Inflation führt zu Kaufkraftverlust
Diese Vertragsgestaltung steht im Widerspruch zu den Bedürfnissen des Kunden, der eine langfristig stabile Absicherung wünschte.
2. Pflegerentenoption: Sinnvolle Absicherung oder symbolischer Vertragsbestandteil?
Der Vertrag enthielt eine Pflegerentenoption, die eine spätere Pflegeabsicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung ermöglicht. Allerdings wurde lediglich eine Rente von 22 Euro monatlich garantiert. Dies wirft folgende Fragen auf:
- Welchen realen Nutzen bietet eine so geringe Leistung?
- Wurde der Kunde über den tatsächlichen Wert dieser Option aufgeklärt?
- Diente dieser Baustein primär der Verkaufssteigerung?
Ein fundierter Beratungsprozess hätte klären müssen, ob eine umfassendere Pflegeabsicherung erforderlich ist.
3. Hinterbliebenenschutz: Geringe Leistung mit fragwürdigem Nutzen
Der Vertrag sah im Todesfall eine Hinterbliebenenleistung von lediglich 1.150 Euro vor. Diese Summe ist weder zur Absicherung der Familie noch zur Deckung erheblicher Kosten ausreichend. Ein alternatives Absicherungskonzept wäre zielführender gewesen.
4. Kostenstruktur: Ein signifikanter Renditeverlust
Besonders kritisch ist die Kostenstruktur des Altersvorsorge-Bausteins:
- Von 22,61 Euro monatlicher Sparrate flossen 4,60 Euro direkt in Verwaltungskosten → Ein Kostenanteil von 20,34 %
- Zusätzliche Provisionskosten reduzierten die Rendite weiter um 2,02 %
- Nicht offengelegte Kickback-Zahlungen an den Vermittler erhöhten die Kosten zusätzlich
Durch diese hohe Kostenbelastung war eine positive Renditeentwicklung nahezu ausgeschlossen.

Fazit: Fehlberatung mit langfristigen finanziellen Nachteilen
Dieser Fall zeigt eindrücklich, welche Folgen unzureichende Beratung und provisionsgetriebener Produktverkauf haben können. Eine sinnvolle Finanzstrategie basiert auf einer individuellen Bedarfsanalyse und einer transparenten Darstellung der Kosten.
Empfehlung: Unabhängige Beratung als Lösung
Um derartige Fehlberatungen zu vermeiden, empfiehlt sich eine unabhängige Finanzberatung, die folgende Kriterien erfüllt:
✔️ Individuelle Analyse der finanziellen Situation und Ziele
✔️ Transparente Darstellung der Kostenstruktur
✔️ Objektive Produktempfehlungen ohne Verkaufsdruck
Nur so lässt sich eine nachhaltige und rentable Absicherung realisieren.
Und wer hilft, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist?
Nun könnte man sagen, dass solche Vertriebsstrukturen ein Ärgernis für die Branche sind – und das sind sie zweifellos. Doch betrachten wir die Sache einmal pragmatisch: Ohne solche Beratungsfehler hätten wir weniger zu tun. Denn genau diese Verträge sind es, die Kunden irgendwann zum Nachdenken bringen.
Wenn das erste ungute Gefühl aufkommt, wenn die Kosten höher steigen als die Rendite, wenn die vermeintlich „maßgeschneiderte Lösung“ plötzlich nicht mehr passt – dann braucht es jemanden, der das Chaos sortiert. Und genau hier kommen wir ins Spiel.
Man könnte also fast dankbar sein. Aber nur fast. 😉